Hier mein Interview: 1.Frau Herrnberger, Sie sagen, Ihre Geschichte hätte das Leben selbst geschrieben. Nehmen Sie uns bitte mit an den Anfang: Wie haben Sie Mike kennengelernt – und wie haben Sie den Moment erlebt, als die Diagnose kam? Ja, das Leben hat wirklich Regie geführt.Wir haben uns ganz klassisch beim Weggehen kennengelernt – so, wie man es eigentlich nicht mehr erwartet. Wir beide kamen frisch aus gescheiterten Ehen und waren uns einig: bloß nichts Festes, bloß keine neue Bindung. Und doch begann da etwas – zart, vorsichtig, behutsam. Ich hatte Angst. Angst davor, mein Herz zu verlieren. Angst vor Verbindlichkeit. Und dann war da auch noch Mikes Tochter – und ich, die sich ganz bewusst gegen ein eigenes Kind entschieden hatte. Aber ich bin das Wagnis eingegangen. Ganz bewusst. Ich habe mich verletzlich gemacht – aus dem tiefen Gefühl heraus, dass ich alles gewinnen könnte.Und dann kam es, dieses überwältigende „Endlich“-Gefühl. Endlich angekommen. Wir sind unverwundbar. Uns gehört die Welt. Liebe, Leichtigkeit. Ein Flug in den Wolken. Seine Tochter war für mich wie das i-Tüpfelchen. Ein weiteres Geschenk. Ich lieb sie und sie liebt mich. Wir sind im Himmel. Krebs? Die Bauchspeicheldrüse?Das passiert doch den anderen.Ich wollte nur noch aufwachen. Aber es war kein Traum. Ich konnte – oder wollte – gar nicht erfassen, was das alles bedeutet. Nicht medizinisch, nicht emotional.Lähmung, Tatendrang, naive Hoffnung und tiefste Verzweiflung – sie gaben sich die Hand und wechselten sich ab.Ich war mittendrin. So „am Leben“ wie selten. Und gleichzeitig wie neben mir. 2. Nur drei Monate nach Ihrer Begegnung wurde Ihr Partner schwer krank. Was hat dieser plötzliche Umbruch mit Ihnen gemacht – emotional, mental, aber auch als Paar? Wenn von einer Stunde auf die andere nichts mehr selbstverständlich ist, wird alles unendlich wertvoll.Liebe wird unermeßlich, wenn man hört, dass man sie verlieren könnte.Jeder weiß theoretisch, dass nichts ewig ist – aber wir mussten es fühlen. Spüren. Erleben. Dass alles endlich ist. Dass wir verwundbar sind. Ich stand tränenüberströmt vor dem Spiegel, starrte mich an und habe mich selbst angeschrien. Hinter mir tropfte der Wasserhahn monoton, und meine Hände klammerten sich ans Waschbecken, als könnte es mich irgendwie halten.„Okay. Ich hab’s ja verstanden. Mein Drehbuch wurde umgeschrieben. Ich habe eine neue Rolle in meinem Leben. Nein, wollte ich nicht. Absolut nicht. Aber ja – ich kann es nicht ändern. Ist angekommen.“ Dann atmete ich tief ein. Und sagte zu mir selbst:„Angenommen. Ich nehme es an. Verstanden. Aber hey Danielle – weißt du was?Du warst noch nie so richtig und so wichtig zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Noch nie. Und jetzt hast du die Möglichkeit, den größten, wichtigsten, ehrenwertesten und besten Job deines Lebens zu machen. Und weißt du warum? Weil du es kannst. Und weil es für Mike ist.“ Ich schreibe mein Leben lang Tagebuch. Und wenn ich heute zurückblättere, lese ich diesen einen Satz, den ich damals geschrieben habe:„Ich bekomme gerade das Geschenk meines Lebens.“Damals wusste ich nicht genau, wie ich das meinte.Aber heute – heute weiß ich es.Und ich lag richtig. Auf eine Weise, die ich mir niemals hätte vorstellen können. 3. Sie sprechen von mentaler Stärke und innerer Haltung als wichtigen Einflussfaktoren im Heilungsprozess. Wie haben Sie es geschafft, in einer so belastenden Zeit Klarheit zu finden – und zu behalten? Ich glaube, in Extremsituationen zeigt sich, was wirklich in einem steckt – und gleichzeitig hat man die Wahl, was man daraus macht.Ich habe mir gesagt: Wenn ich schon nichts an den äußeren Umständen ändern kann, dann will ich wenigstens mein Inneres klar halten. Ich wollte kein zusätzliches Chaos im Kopf – das hatten wir im Außen ja schon genug. Klarheit bedeutete für mich: bei mir bleiben. Radikale Akzeptanz. Und vor allem: Wir leben alle im Hier. Im Jetzt. Ob wir gerade vermeintlich gesund sind oder diagnostisch schwer krank – wir alle haben nur diesen einen Moment. „Ich biege nicht vor der Kurve ab.“Das war mein inneres Mantra. Ich habe gelernt, meine Gedanken bewusster zu lenken. Ich habe geübt, Probleme erst dann zu lösen, wenn sie wirklich da sind – und nicht schon vorher in Gedanken durchzuspielen. Und ich habe sehr schnell gespürt: Das tut nicht nur mir gut – es hilft auch Mike. Und das war kein einmaliger Moment der Erleuchtung, sondern eine tägliche Übung. Ein bewusster Akt der Selbstführung. Natürlich gab es auch Tränen, Zweifel, Momente der völligen Erschöpfung. Aber ich habe mir erlaubt, all das zu fühlen – und dann wieder aufzustehen.Denn genau darin liegt für mich mentale Stärke: Nicht perfekt zu funktionieren, sondern sich immer wieder neu auszurichten. 4. Was bedeutet für Sie „mentale Stärke“ ganz konkret – und wie unterscheidet sie sich von Verdrängung oder Durchhalten um jeden Preis? Anstatt zu hadern oder zu verharren, habe ich durch den Wechsel meiner Perspektive eine Leidenschaft und Energie in mir entdeckt, die ich vorher nicht kannte.Gedanken wie: „Hilfe, wie soll ich diese Bürde und Belastung tragen?“ verschwanden zunehmend.Sie wurden ersetzt durch: „Ich bin wertvoll – und ich kann das Beste tun, was ich zu tun vermag: ihm ein schönes Leben bereiten.“ Anstatt mich von Verzweiflung, Ohnmacht, Trauer oder Hilflosigkeit bestimmen zu lassen, habe ich mich darauf konzentriert, was ich jetzt für Mike tun kann. Ich habe ihm versprochen, zu bleiben.Und hätte es geholfen – ich wäre für ihn um die Welt gelaufen. Auch Mike wollte sich nicht selbst leidend zugrunde gehen sehen.Seine Haltung war geprägt von stiller Entschlossenheit – und einem klaren Fokus auf das, was er selbst beeinflussen konnte.Er malte sich nicht aus, wie fürchterlich alles womöglich werden könnte. Stattdessen hielt er an einem innerlich klaren Bild fest:Er war überzeugt, dass sein Körper alles in sich trägt, um wieder gesund zu werden. Er kämpfte nicht.Er hat es als einen Weg gesehen, den er gehen muss. Und kann.Er hatte sich von allen möglichen Szenarien das beste ausgewählt – und an genau diesem hat er sich festgehalten. Mike und ich haben nichts mehr aufgeschoben. Es zählte nur noch das Jetzt. Das Hier und Heute. Zwischen seiner OP und dem ersten Chemotherapie-Zyklus waren wir in